Warum der Lockdown unumgänglich war. Eine Reaktion auf Hygiene-Demonstrationen und weitere Unruhen in unserem Wohnraum.
Wir definieren uns über die Veranstaltungen, die wir besuchen, die Kleidung, die wir dabei tragen und die Codes, die uns zu einem Kreis von Eingeweihten werden lassen, der sich nicht freimachen kann von einer Normierung der jeweils Anderen. Wir fühlen uns durchaus wohl in unserer kleinen Nischen, in der wir nicht nur Sicherheit, sondern vor allem Macht verspüren. Natürlich würden wir das niemals offen zugeben, aber es reicht auch ein wohl wissender Blick oder ein Augenaufschlag aus, um das eigene Revier zu markieren und die Eingeweihten von den Anderen zu unterscheiden. Bis dahin kein Problem. Man kennt seinen Platz und weiß, wann eine Grenze überschritten wird. Problematisch wird es erst, wenn wir gezwungen werden, unsere Reviermarkierung offen darzulegen. Wenn man uns tatsächlich dazu zwingt, auf unser Recht am Platz zu appellieren, weil wir nunmal zuerst da waren (hier könnten auch andere empirische Faktoren hinzugezogen werden, es ist einfach nur ein Beispiel). Unser Verhalten verändert sich, wenn wir aus unserer Passivität zum Handeln genötigt werden. Wenn wir uns die Blöße geben müssen, uns als das erkennen geben müssen, was wir eigentlich sind: Eitle aber unsichere Einzelkinder, die Angst haben, dass man uns die Rassel wegnimmt. Wohlgemerkt wurde die Rassel schon seit Jahren nicht mehr angerührt wurde, aber schließlich gehört sie uns. Deshalb müssen wir uns mit anderen Zusammenschließen, ohne dass wir von eben jenen nicht die Größte Gefahr ausgehen sehen. Hier trifft ganz salop der Spruch: “Keep your friends close, but keep your enemies closer” des Pudels Kern. Denn wir sind auch geizig und gierig. Jede:r auf eine andere Weise, aber der Geiz und die Gier, die treten immer dann zum Vorschein, wenn wir die Reviermarkierung verletzt sehen. „Wenn jemand bei mir einbricht, dann ist das falsch und richtig, dass ich etwas dagegen unternehme.” könnte man nun meinen und durchaus Recht haben. Deshalb zielt unsere Analyse auch nicht auf das eigene Heim sondern auf den öffentlichen Raum: Veranstaltungshäuser und Gastronomiebetriebe aber auch Parks und öffentliche Plätze. All jene Orte, an denen wir es als ein natürliches Recht empfinden, sein zu dürfen ohne, dass wir dafür Miete zahlen würden. Denn der öffentliche Raum ist ein Paradoxon, der die menschliche Spezies verwirrt. Unserem Instinkt nach können wir nur Einteilen in eigenem Besitz und dem von anderen. Alles andere sind Negierungen, die der schon beschriebenen Eitelkeit dienen, aber nichts mit dem wahren Kern unseres Seins zu tun haben. Um es klarzustellen: Wir vertreten durchaus die Ansicht, dass Menschen eine Art von zivilisierten Umgang erlernen können, der sie durchaus unterscheiden lässt von öffentlichem Raum und Eigenheim. Sicherlich, diese Unterdrückung eines durchaus menschlichen Gefühls verwirrt uns Menschen, aber das ist sicherlich nicht das Einzige, was uns verwirrt und dennoch nicht umbringt. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Kultur als Normwert in unser zivilisiertes Leben Einzug hält. Dann kennen wir nichts, verteidigen unser Revier auf Gedeih und Verderb und tragen das eitle und unsichere, aber auch gierig und geizige Kind in uns offen zur Schau. Kaum unterscheiden wir uns mehr vom Tier, vielleicht noch darin, dass uns Bosheit und Mißgunst zu noch abstruseren Taten führt, als nur einfach wild um uns zu schnappen. Es beginnt damit, dass wir Klopapier kaufen möchten, oder anderen einen Scheißhaufen vor die Tür legen, noch effektiver ist die öffentliche Reviersdemonstration, in der Veranstalter manchmal den ersten Teil des Wortes mit Freiheits- austauschen, was natürlich faktisch falsch und blasphemischer Unfug ist. Dann ist es nur noch ein ganz kleiner Schritt, der Gewalt rechtfertigt, die dann eskaliert und nicht mehr unterscheiden kann, auf was oder wen die von einem selbst ausgehende Aggression überhaupt zielte. Das ist dann auch egal, denn die Differenz hat gewonnen, es kann nur noch die Richtigen treffen, solange es nicht uns trifft. Wir haben es alle gesehen. Einige von uns haben es erlebt. Es ging von hier aus. Hier war der Ursprung des Prototyps des öffentlichen Raumes. Das passiert, wenn man eine Bühne errichtet, die den Anspruch hat, das Volk zu repräsentieren. Dann geht das Usurpieren los, denn natürlich ist man es selbst, das Volk und schon immer ist man es gewesen. Aber halt! Man ist ja nicht so, wie die anderen, die diese Bühne genauso nutzen und zwar komplett ungewollt. Dann ist er im vollen Gange der Zersetzungsprozess, der vom öffentlichen Raum ausgeht und eine große Kluft in die Mitte reißt, alles heraus schwemmen lässt, was verschlossen bleiben sollte, eine große Fontäne speiht und nun über uns hinabstürzt und sich als der Unrat zu erkennen gibt, den wir einfach nur unter den Teppich kehren wollten: Ein riesiger Haufen unserer eigenen Scheiße.
Verknappt gesagt, vertreten wir die Auffassung, dass Kunst und Kultur für eine humane Gesellschaft schädlich sind, weil sie die Differenz zwischen uns offenlegen
Demzufolge war eine Schließung dieser Veranstaltungshäuser nicht nur notwendig, sondern war die einzige Möglichkeit, uns vor einem kompletten Kollaps zu bewahren. Angesichts der anhaltenden gesundheits- und klimagefährenden Effekte, die die Mobilität der Menschen mit sich bringt, scheint die Abschaffung der öffentlichen Sphäre das einzige noch mögliche Mittel zu sein.
Um das zu verstehen, werden wir in einem unserem nächsten Beitrage einen Blick auf die Geschichte dieses Areals werfen. Dabei werden wir Dinge darlegen, die zwar schon lange für jede:r sichtbar waren, es jedoch einer persönlichen Interpretation bedurfte, damit man sie richtig deuten kann.
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